Mein Bot, der Kombattant: Operative Kommunikation im digitalen Informationskrieg

Presented at 31C3 (2014), Dec. 27, 2014, 5:15 p.m. (60 minutes).

Der Vortrag bietet eine sprachwissenschaftlich informierte Perspektive auf den Informationskrieg mit Fokus auf operative Kommunikation in sozialen Medien. Am Beispiel eines selbst entwickelten Bots werden wir linguistische Prozeduren zur Manipulation von Kommunikation mit dem Ziel der Beeinflussung von Wissen, Werten, Gefühlen und Handlungsdispositionen vorstellen.

Der Meinungskampf im Netz wird professioneller: Während der Ukrainischen Maidan-Proteste sahen sich die Redaktionen von Online-Zeitungen mit einer Flut von russlandfreundlichen Kommentaren konfrontiert, die die Proteste als Werk amerikanischer Geheimdienste und die Regierung in Kiew als Nazi-Junta zu diskreditieren suchten. Verursacher war die "Agentur zur Analyse des Internets" aus St. Petersburg, die mutmaßlich von staatlichen Akteuren damit beauftragt wurde, die öffentliche Meinung in anderen Ländern durch verdeckte Operationen in sozialen Netzwerken zu beeinflussen. Und in Südkorea hat die Abteilung Psychologische Strategie des National Intelligence Service (NIS) mittels gefälschter Twitter-Accounts im Vorfeld der Präsendentschaftswahlen 1,2 Millionen Tweets versendet, um Stimmung für Park Geun Hye, Kandidatin der konservativen Saenuri-Partei zu machen.

Der digitale Informationskrieg ist also längst im Gang. Er zielt wie traditionelle Psychologische Operationen auf die Beeinflussung von Wissen, Werten, Gefühlen und Handlungsdispositionen und will Agenda Setting in der gegnerischen Öffentlichkeit betreiben. Von den traditionellen PSYOPS unterscheidet ihn, dass er maschinell und klandestin geführt wird und statt massenkommunikativ zu agieren über die Möglichkeit verfügt, jeden, der sich in sozialen Netzwerken bewegt, persönlich und mit einer individuellen Strategie anzusprechen. Der Bot ist ein Kombattant mit der Aufgabe, Menschen zu beeinflussen, konstruktive Diskussionen zu verhindern und Social-Media-Monitoring-Systeme und Aggregatoren zu manipulieren. Sein Medium ist in erster Linie die Sprache, die einordnen, bewerten, konfrontieren und überzeugen will, die eine Wirklichkeit erschaffen will, in der das Handeln der eigenen Konfliktpartei als legitim, gerecht und zwingend und das des Feindes als falsch, unrecht und unwahrhaftig erscheint.

In unserem Vortrag werden wir den Begriff der operativen Kommunikation aus sprachwissenschaftlicher Perspektive definieren, ihre rechtlichen Rahmenbedingungen im Informationskrieg bestimmen und die Legitimität von operativer Kommunikation für unterschiedliche Regimetypen diskutieren. Anhand eines selbst entwickelten einfachen Bots wollen wir im zweiten Teil des Vortrags Szenarien für den operativen Einsatz in der semantischen Matrix vorstellen und die linguistischen Operationen illustrieren, die zur Manipulation von Kommunikation führen können.


Presenters:

  • josch
    Sprachwissenschaftler an der TU Dresden. Bloggt über linguistische Methoden des politisch motivierten Internetmonitorings. CCC-Mitglied. C3D2, wenn mal Zeit ist. Linguist at TU Dresden. Blogging about surveillance through language. "Your worst enemy, he reflected, was your nervous system. At any moment the tension inside you was liable to translate itself into some visible symptom." (Orwell, 1984, Book 1, 6 )
  • arche3000
    I'm a linguist and computer enthusiast with a growing portion of scepticism.

Links:

Similar Presentations: